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Agile Recruiting

10.11.2020

Die Pandemie hat uns alle kalt erwischt. Sie hat ganze Wirtschaftszweige zerstört, aber auch neue Formen des Arbeitens hervorgebracht. Was vor kurzem noch unmöglich schien, ist für viele Unternehmen zur Realität geworden: Besprechungen finden „remote“ in Clouds statt und viele Abteilungen arbeiten ganz oder teilweise im Homeoffice. Wann wenn nicht jetzt, lohnt es sich, über Konzepte nachzudenken, die in hohem Maße mit Veränderungen umgehen können, kollaboratives Arbeiten ermöglichen und dazu noch einen inkrementellen, sprich sich selbst verbessernden Ansatz verfolgen? Konzepte, die sich positiv auf die Unternehmenskultur auswirken und den Ansprüchen einer Generation gerecht werden, für die Arbeit mehr ist als Existenzsicherung. Mehr denn je ist Agilität gefragt, die Fähigkeit zur Anpassung an eine sich schnell verändernde Umwelt und die Fokussierung auf die Menschen, die man mit einer Dienstleistung erreichen will. Der folgende Beitrag beschäftigt sich damit, wie agiles Arbeiten im Recruiting einsetzt werden kann.

 

Recruiting als Treiber der Unternehmenskultur

Was hat das Recruiting mit der Unternehmenskultur eines Krankenhauses zu tun, die bekanntermaßen von strengen Regeln und Hierachien geprägt ist? Die Antwort lautet: sehr viel. An dieser Schnittstelle findet schließlich die erste Begegnung eines Menschen mit seinem zukünftigen Arbeitgeber statt und das, was sie oder er nach außen an Werteorientierung und Kultur wahrnimmt, spielt oft eine Rolle bei der Entscheidung für den „Employer of Choice“. Wenn das Unternehmen dann mit dem Auswahlprozess und dem Onboarding alles richtig macht, ist die Chance groß, einen Arbeitsplatz nicht nur mit einer passenden Ressource, sondern mit einer zufriedenen Mitarbeiterin oder einem zufriedenen Mitarbeiter zu besetzen.

Wer sich im Gesundheitsbereich auskennt weiß aber auch, wie schwer es ist, Stellen überhaupt neu zu besetzen. Zum einen liegt das an der Situation auf dem Arbeitsmarkt, der in der alternden Gesellschaft vom doppelten demografischen Wandel, also einem Rückgang der Arbeitskräfte bei gleichzeitig steigenden Patientenzahlen geprägt ist. Zum anderen hat die „Ökonomisierung der Medizin“ seit Einführung der DRG dazu geführt, dass der Fokus eher auf dem Return on Investment lag, als auf der Weiterentwicklung der Arbeitskultur. Dabei ist hinlänglich bekannt, dass die Mitarbeiterzufriedenheit einen großen Einfluss auf den Output hat.

Unter dem Motto “never change a running system“ lässt man die administrativen Prozesse in einem Krankenhaus wie eine gut geölte Maschine laufen solange alles funktioniert. Die meisten Häuser mussten in den letzten Jahren so viele Changeprozesse bewältigen, dass die Begeisterung für Veränderungen verständlicherweise nachgelassen hat. Auch und gerade das Recruiting arbeitet oft am Rande der Kapazitäten und hat wenig Spielraum, um etwas Neues anzustoßen, geschweige denn, als Treiber für Changeprozesse zu fungieren. In Einzelfällen gelingt dies durchaus, aber es ist nicht die Regel und oft ist es nur ein aufreibender Kampf gegen den Fachkräftemangel.

Bei dieser Art der Personalbeschaffung wirkt die Unternehmenskultur zwar nach außen, und im besten Fall positiv, sie unterliegt aber keiner großen Veränderung. Es bleibt ein Prozess, der in eine Richtung geht. Wenn der Task „Stelle besetzen“ erledigt ist, atmen alle Beteiligten erst einmal auf und dann kommt auch schon der nächste Recruitingauftrag. Und ganz sicher wird er nach dem gleichen Muster abgewickelt.

Was aber, wenn der Recruitingprozess auch nach innen etwas bewirken könnte? Was, wenn man das Recruiting als Framework für die Weiterentwicklung, Selbstreflexion und Verbesserung der Zusammenarbeit nutzen könnte? Was, wenn nicht die Besetzung der Stelle, sondern die Menschen, die sich darauf bewerben im Vordergrund stünden? Oder wenn man Prozesse, die man schon lange als unsinnig und bürokratisch empfindet, einfach mal anders gestalten könnte?

 

Herausforderung durch die Generation Z und die Millenials

Nachwuchskräfte wertschätzen zwar Berufe im Krankenhausumfeld, viele sind aber nicht bereit, selbst einen solchen Beruf zu ergreifen. Der Erfolg unseres personalintensiven Gesundheitssystems steht und fällt aber mit engagierten und empathiefähigen Menschen. Recruitingprojekte sollten daher so konzipiert werden, dass sie von Anfang an den Bedürfnissen zukünftiger MitarbeiterInnen Rechnung tragen.

Jungen Menschen, die heute ins Berufsleben eintreten, sind andere Dinge wichtig als den Babyboomern, die sich schon bald ins wohlverdiente Retirement zurückziehen:
ein Arbeitsumfeld, das ihre Bedürfnisse ernst nimmt, und ein Unternehmen, das ihnen von Anfang an auf Augenhöhe begegnet. Nicht das Leben soll sich der Arbeit unterordnen, sondern die Arbeit muss mit der Life Balance vereinbar sein, Sinn machen und Raum für die persönliche Entwicklung geben. So etwa lautet das Mantra der Generationen mit denen Personalabteilungen es in den nächsten Jahrzehnten zu tun haben.

Eine Unternehmens- und Führungskultur, die sich auschließlich am Shareholder Value orientiert, führt zu hoher Fluktuation und im Worstcase zum Abwandern ganzer Teams. Die Berufe, die ein Krankenhaus „im Angebot“ hat, erscheinen einer Generation, die mit New Work und digitalen Prozessen aufwächst, zunehmend unattraktiv. Zwischen ihren Erwartungen an einen Job und der Realität liegen manchmal Welten, was in der Praxis nicht selten dazu führt, dass junge Pflegekräfte direkt nach der Ausbildung abwandern.

Doch lassen sich die Welten der Generation Z und der Millenials mit der Krankenhauswelt verbinden? Gibt es eine Möglichkeit, in kleinen Schritten etwas anzustoßen und positiv zu verändern? Spätestens wenn man sich diese Fragen stellt, ist es Zeit, sich mit neuen Konzepten wie dem Agile Recruiting zu beschäftigen. Hier bieten sich Möglichkeiten, Arbeitsprozesse neu zu denken und damit Schritt für Schritt auch die Unternehmenskultur zu verändern. Die folgenen Abschnitte sollen einen Einblick in das geben, was agiles Arbeiten bedeutet, was sich hinter dem Begriff Agile Recruiting verbirgt und wie man das Konzept in die Praxis umsetzen kann.

 

Das Agile Manifesto

Im Februar 2001 trafen sich siebzehn Programmierer in einem Skigebiet in Utah, um über einen neuen Ansatz in der Softwareprogrammierung zu sprechen. Was dabei herauskam, war das Manifest der agilen Software-Entwicklung, eingegangen in die Geschichte als „Agile Manifesto“.

Den Agilen Methodikern ging es um weitaus mehr als um die Optimierung von Entwicklungsprozessen. Sie wollten ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem nicht nur davon geredet würde, dass der Mensch der wichtigste Aktivposten sei, sondern in dem der arbeitende Mensch mit seinen Bedürfnissen tatsächlich im Mittelpunkt stünde. Nur dann, so ihre These, sei es möglich, Kunden zeitnah und effizient gute Produkte zu liefern. Letztendlich ging es ihnen um die Bedeutung von Werten und Kultur für die Qualität der Arbeitsergebnisse. Und genau damit wurde ein ganz entscheidender Perspektivwechsel vollzogen: weg vom Konzept des Humankapitals, das einzig und allein den ökonomischen Nutzen der Arbeitskraft in den Fokus nimmt hin zu einem Verständnis, in dem der Mensch und seine Bedeutung für die Unternehmenskultur im Mittelpunkt steht.

Mit der hohen Flexibilität, die der agile Ansatz versprach, wollte man sich schließlich in der VUCA World (VUCA steht für Volatilität, Uncertainty, Complexity und Ambigiousity) darauf einstellen, schneller auf Veränderungen zu reagieren, anstatt immer nur einmal verfasste Pläne zu befolgen.    

Ihre Forderungen kamen in den Grundwerten des Agile Manifesto zum Ausdruck:

  • Individuen und Interaktionen [gelten] mehr als Prozesse und Werkzeuge
  • Funktionierende Software [gilt] mehr als umfassende Dokumentation
  • Zusammenarbeit mit dem Kunden [gilt] mehr als Vertragsverhandlung
  • Reagieren auf Veränderung [gilt] mehr als das Befolgen eines Plans

Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Agile Values auch in andere Management Bereiche vordrangen und mit Konzepten wie dem Lean Management und verschiedenen Formen des Projektmanagements kombiniert wurden. Heute, knapp 20 Jahre später, erkennen immer mehr Unternehmen, dass diese Werte auch im HR Management eine wichtige Rolle spielen könnten:

Das Agile Recruiting ist nicht nur effizient, wie wir später sehen werden, sondern trägt auch zur Entwicklung der Unternehmenskultur bei. In vielerlei Hinsicht bildet es Schnittmengen mit dem Employerbranding, das erstmals 1996 im Fachartikel „The Employer Brand“ von Tim Ambler und Simon Barrow auftauchte und in den 10er Jahren große Aufmerksamkeit erfuhr. Auch im aktuellen New Work Konzept, in dem es eher um Vertrauen und Ergebnisse als um Kontrolle und Sanktionen geht, finden sich die Werte des Agilen Manifests wieder und korrespondieren mit einem Arbeitsverständnis, das besonders Nachwuchskräfte zu schätzen wissen. Und genau hier beginnt es, für das Recruiting interessant zu werden.

 

Agile Recruiting

Im Blog von Beamery, einem Portal, das sich intensiv mit dem Thema Agile Recruiting befasst, ist folgende Definition zu finden:

A recruiting project management methodology using sprints, prioritization of tickets, and periodic feedback checkpoints to bring flexibility and efficiency to the recruiting team, and visibility to hiring managers.

Im Gegensatz zum Recruiting, das oft durch lange Abstimmungsprozesse gekennzeichnet ist, stehen beim Agile Recruiting ganz andere Dinge im Vordergrund:

Ein sich selbst organisierendes Team arbeitet iterativ, d.h. in regelmäßigen Arbeitsabschnitten, die so lange wiederholt werden, bis eine Aufgabe erfüllt ist. Und es arbeitet inkrementell, denn es versucht, sich nach jedem Arbeitsabschnitt zu verbessern, indem ineffiziente Herangehensweisen mit dem Titel „lessons learned“ verworfen werden. Ein weiteres Merkmal des agilen Arbeitens ist, dass komplexe Aufgaben in kleine Einheiten zerlegt und einzelnen Teammitgliedern zugewiesen werden. Diese kleinen Arbeitseinheiten, auch Tickets oder Items genannt und im Recruiting z.B. der Entwurf einer Ausschreibung oder die Auswahl geeigneter Channels, können dann bis zum nächsten Tag erledigt werden. In täglichen Scrums, Meetings die nicht länger als 15 Min. dauern, tauscht sich das Team über den tagesaktuellen Stand aus. In so genannten Sprints, die man auch als Etappen bezeichnen könnte und die je nach Komplexität der Aufgaben in Abständen von 1-4 Wochen wiederholt werden, werden nicht nur anstehende Aufgaben besprochen, sondern es findet eine kritische Reflexion über die bisher erreichten Ergebnisse statt. Gemeinsam wird beschlossen, ob man so weitermacht wie bisher oder ob man eine andere Richtung einschlägt. Hier begegnet uns ein Wert des Agile Manifesto: für Veränderungen in der Vorgehensweise offen und bereit zu sein, sich stets zu verbessern.  

Aber nicht nur Komplexitätsreduzierung und Offenheit für Veränderung sind Merkmale des Agile Recruiting. Es geht auch darum, schnell zu interagieren und damit die Candidate Experience zu verbessern. Heute kann man es sich nicht mehr leisten, Kandidatinnen und Kandidaten auf eine Antwort warten zu lassen, weil interne Abstimmungsprozesse nicht funktionieren. Hier wird ein weiterer der vier Agile Values sichtbar: Menschen und Interaktionen mehr Bedeutung zuzumessen als Prozessen – an denen aber oft eisern festgehalten wird.

Auch die Teamorientierung hat einen hohen Stellenwert und Agile Recruitung erfahrene PraktikerInnen empfehlen, bei der Abfassung der Stellenanzeigen, KollegInnen aus den Fachabteilungen mit einzubeziehen. Sie wissen genau, was ein Kandidat oder eine Kandidatin mitbringen muss und sind in der Lage, eine spezifische Aufgabe praxisorientiert zu beschreiben. Damit erfährt nicht nur das HR einen wertvollen Support, sondern es bewerben sich auch die passenderen Menschen. Transparenz, und kollaboratives Arbeiten sind weitere Merkmale des Agile Recruiting, die sich nicht nur positiv auf die Candidate Journey auswirken, sondern auch auf die Mitarbeiter, die ihre Aufgaben mit einem ganz anderen Ansatz und im Team lösen.

Dies hat auch etwas mit den Methoden und Tools zu tun, die typischerweise bei agilen Prozessen eingesetzt werden: Scrums und Kanban Boards.

 

Arbeiten in Scrums

Scrum beschreibt das Regelwerk, mit dem ein agiler Prozess am besten abgebildet werden kann. Um die Scrum Methodik zu verstehen und entscheiden zu können, ob sie sich ganz oder teilweise mit den vorhandenen Methoden der Projektgestaltitung verbinden lässt, ist es wichtig die verschiedenen Rollen, Artefakte und Aktivitäten zu kennen.

 

Die Srum Rollen

  • Der Product Owner markiert die Schnittstelle zum (internen) Auftraggeber und wird im Recruiting z.B. durch die Personalleiterin repräsentiert. Sie legt die Anforderungen an ein Recruitingprojekt fest – z.B. für die Besetzung einer Oberarzstelle in der Neurologie oder für ein Onboardingprogramm für eine Gruppe von Pflegekräfte aus dem Ausland. Sie ist für den Erfolg verantwortlich und steht in regelmäßigem Kontakt mit den Auftraggebern, in diesem Fall der ärztlichen Leitung bzw. der Pflegedirektion. Sie priorisiert Aufgaben und gibt Feedback an das Team.
  • Der Scrum Master, dies kann z.B ein Personalreferent sein, nimmt eine Art Moderatorenrolle ein und achtet weniger auf die Inhalte als darauf, dass die Regeln des Agile Recruitingprojektes eingehalten werden.
  • Das Scrum Team, setzt im Laufe des Prozesses unter der Anleitung des Scrum Masters alle für die Besetzung der Stelle oder die Konzeption eines Onboardingprogramms erforderlichen Schritte um und steht über den Fortgang der Aufgabe mit dem Product Owner im Austausch. Dabei muss sich das Team nicht auf Kolleginnen und Kollegen aus dem HR beschränken, sondern kann ExpertInnen aus anderen Abteilungen oder sogar externe Berater mit einbeziehen. Cloudlösungen und remote Programme machen dies heute möglich.

 

Die Scrum Artefakte

  • Im so genannten Product-Backlog werden alle Anforderungen an ein (Recruiting-) Projekt festgelegt und priorisiert. Hier werden die Anforderungen auch angepasst, wenn sich im Laufe des Prozesses ergibt, dass einige von ihnen verzichtbar sind oder neue dazukommen.
  • Im Sprint-Backlog legt das Team fest, welche Aufgaben aus dem Anforderungskatalog des Product-Backlogs es im aktuellen Sprint bearbeiten will. Das könnte im Fall der Oberarztstelle die Produktion der Stellenanzeige und die Auswahl geeigneter Channel sein. Im Fall des Onboardingprogramms würde das Team vielleicht einen Austausch mit der Pflegedienstleitung planen, um aus erster Hand zu erfahren, wie ein erfolgreiches Onboarden aus ihrer Sicht aussehen sollte.
  • Das Product-Increment bezeichnet das Ergebnis eines Sprints, und wäre in unseren Beispielen die erfolgreich platzierte Stellenanzeige und im Fall des Onboardingprogramms eine mit der Pflegedienstleitung abgestimmte Liste der Maßnahmen, die zusätzlich zum bisherigen Onboarding für ausländische Pflegekräfte bereitgestellt werden sollten.    

 

Die Scrum-Aktivitäten

Wenn ein Team sich für eine Aufgabe aus dem Backlog formiert hat, ist das Sprint Planning das initiale Meeting, in dem die erste Etappe geplant wird. Dies geschieht sowohl bezüglich der Aufgaben, die das Team erledigen will als auch im Hinblick auf den zeitlichen Abstand bis zum nächsten Sprint. Ob dies eine oder zwei oder vier Wochen sind, hängt von der Komplexität der Anforderungen ab, aber auch davon, welchen Wert der Faktor Zeit für eine Aufgabe hat: bei der Neubesetzung einer Stelle macht es Sinn, Sprints in wöchentlichen Abständen einzuplanen.

Wichtig ist, dass das Team ein Aufgabenvolumen festlegt, das es bis zur nächsten Etappe gut bewältigen kann. Zu diesem Zweck werden die Anforderungen aus dem Produkt Backlog unter Berücksichtigung der Priorisierung in einzelne Teilaufgaben (Tickets) unterteilt, die von den Teammitgliedern innerhab eines Tages erledigt werden können. Alle erledigten Aufgaben eines Sprints landen anschließend im Sprint Backlog und bilden die Basis für die Aufgaben der nächsten Etappe.

  • Der Daily Scrum ist ein etwa 15-minütiges Meeting und findet täglich, meist morgens statt. Hier wird besprochen was bereits erledigt wurde, woran man gerade arbeitet und was als nächstes zu tun ist bzw. welches Hindernis dem nächsten Schrit im Weg steht.
  • Den Abschluss eines Sprints bildet der Sprint Review. Hier wird das Zwischenergebnis überprüft und der Product Backlog wird angepasst, z.B. wenn sich eine Anforderung erübrigt hat oder eine neue hinzugekomen ist. An dieser Stelle wird auch Feedback vom Product Owner eingeholt und es werden die nächsten Schritte besprochen.
  • In der Sprint Retrospective geht es nicht um die Aufgabe selbst, sondern darum, wie das Team seine eigene Arbeitsweise bewertet und was man ggfs. in der nächsten Etappe verbessern kannn. Dieser inkremetelle Ansatz soll dazu beitragen, die Arbeit kontinuierlich zu verbessern.
  • Im Rahmen des sogenannten Product Backlog Refinement passt der Product Owner sein Product Backlog an und aktualisiert es, wenn sich z.B. die Prioritäten geändert haben.
  • Was auf den ersten Blick plausibel erscheint, ist alles andere als trivial. Bevor man sich entscheidet, Agile Recruiting einzuführen, sollte man sich mit der Scrum Methode auseinandersetzen und entscheiden, ob die vorhandenen Strukturen agiles Arbeiten überhaupt zulassen, ob man die für ein Agile Recruiting Team empfohlene Anzahl von 3 bis 9 Mitgliedern überhaupt zusammen bekommt und ob das Team, in dem sich sowohl MitarbeiterInnen aus dem HR als auch aus den Fachabteilungen befinden, bereit ist, sich auf einen Agile Recruiting Prozess einzulassen.

 

Kanban Tools

Kollaboratives Arbeiten und Transparenz sind wichtige Merkmale des Agile Recruiting. Oft arbeiten mehrere Recruiter mit Fachabteilungen oder über Cloud Lösungen auch mit ihrer Agentur oder Beratern gemeinsam an einem Ausschreibungsprojekt. Um zu wissen, wer gerade im Team woran arbeitet, haben sich Kanban Tools als Collaborative Working Tools durchgesetzt. Das Kanban Prinzip ist nicht neu und geht auf Kaichii Ohno, einen Toyota Mitarbeiter zurück, der im Jahr 1947 Lieferketten flexibler machen wollte. Heute verbinden wir mit dem Namen Kanban virtuelle Boards wie Trello oder Jira. Auch die meisten Bewerbermanagementsysteme arbeiten nach diesem Prinzip und machen für jeden im Team sichtbar, in welcher Phase des Prozesses man sich gerade befindet und welcher Recruiter eine Einschätzung abgegeben oder eine Aktivität veranlasst hat. Wenn Teams auf diese Weise zusammenarbeiten, passsiert es nie wieder, dass die eine Hand nicht weiß was die andere tut, dass Lebensläufe in einem Sekretariat hängenbleiben und die Candidate Experience dann zu einer ganz schlechten Erfahrung wird.

 

Risiken für die Umsetzung agilen Arbeitens

In mehr als der Hälfte aller Fälle scheitert die Einführung agiler Methoden an der Unvereinbarkeit mit der Unternehmenskultur, was nicht wirklich überraschend ist. Als ein weiteres Hindernis wird auch die Weigerung der Führungskräfte, die benötigten Informationen zu liefern, genannt. Das muss noch nicht einmal böser Wille sein. Jeder hat schon einmal die Erfahrung gemacht, dass man Auskünften, Freigaben und Informationen hinterherrennen muss. Oft fehlt einfach das Bewusstein dafür, dass mit einem Telefonat von wenigen Minuten ein großer Schritt für die Bewältigung einer Aufgabe genommen werden kann. Hier müssen die „agilen“ Teammitglieder dann einfach hartnäckig bleiben.

Auch erscheinen die Werkzeuge und Prozesse auf den ersten Blick so komplex, dass sie abschreckend wirken. Manch einer wird sich fragen, kommen wir hier, was das Projektmanagement angeht, nicht vom Regen in die Traufe? Das Agile Arbeiten soll doch weniger an Prozessen kleben als das herkömmliche Projektmanagement. Ja und Nein. Natürlich ist es viel wichtiger, die Ideen hinter dem Agile Recruiting zu verstehen: früh und häufig Gelegenheiten zur Iteration zu schaffen, Prioritäten und Geltungsbereiche zu klären, schnell voranzukommen und Projekte im Rahmen des Budgets abzuschließen. Trotzdem ist es hilfreich, sich dafür eine passende Struktur zu schaffen Und auch wenn nicht alles sofort umsetzbar ist, kann man mit Teillösungen, z.B. mit dem Einsatz von Kanban Boards und täglichen Scrums schon viel erreichen.

Natürlich droht auch hier wie überall die Gefahr, sich in zu vielen und langwierigen Prozessen zu verzetteln. Vermeiden Sie Schritte, die nicht unbedingt notwendig sind, und nutzen Sie Sprint Retrospective Meetings, um selbstkritisch zu hinterfragen, was sinnvoll war und was verworfen werden kann. Und behalten Sie immer, ganz nach dem Motto „People over Process“ die Kandidaten im Blick: sie sind die ersten, die für schnelle Feedbacks und eine schlanke Candidate Journey dankbar sind.

 

Fazit

Megatrends wie Globalisierung, Digitalsierung, ein neues Werteverständnis und die strukturellen Änderungen im Klinikbereich haben das Recruiting massiv verändert. Effizienz ist auch in den Personalabteilungen oberstes Gebot. Mit dem Agile Recruiting, kann es gelingen, Komplexität zu reduzieren, Prozesse zu verschlanken, den Teams in den Personalabteilungen mehr Autonomie zuzugestehen und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich selbstreflektiert weiter zu entwickeln.

Auch wenn das Agile Manifesto aus der Welt der Entwickler kommt und Scrum als Entwicklungsmethode für Software eingeführt wurde, lassen sich agile Ansätze gut auf andere Bereiche übertragen, besonders in Zeiten, in denen sich Aufgaben plötzlich und massiv verändern und Arbeitsschritte entsprechend angepasst werden müssen.

Gerade in Coronazeiten, in denen Teams ganz oder teilweise im Homeoffice arbeiten, kann eine Scrum Struktur, bei der große Projekte in überschaubare Teilaufgaben zerlegt werden, die Arbeitsbelastung reduzieren und die Ergebnisse verbessern. Auch sind die meisten digitalen Kanban Boards über sichere Cloud Lösungen gut für das remote Arbeiten im Homeoffice geeignet.

Nach außen hat der Ansatz eine positive Wirkung, wenn Reaktionszeiten gegenüber Bewerberinnen und Bewerbern verkürzt werden. Durch ein inkrementelles Selbstverständnis kann das Recruiting nach innen wie nach außen in kleinen praktikablen Schritten Veränderungen anstoßen und zum Botschafter einer agilen Unternehmenskultur werden.




geschrieben von Ulrike Röse-Maier